30.09.2015

Manchmal sind es die Kleinigkeiten

marathon4you-Reporterin Birgit Fender lief den 50er-Ultramarathon und schildert hier Ihre Eindrücke

Ankunft in Rohrbach kurz vor halb acht. Helfer zeigen uns den Weg zum Parkplatz. Wie Chearleader führen zwei Mädels einen übermütigen Tanz auf. Die Richtung ist eindeutig. Zwei Kurven weiter, das gleiche Bild. Andere Mädels, der gleiche Reigen. Wir können uns ein Lachen nicht verkneifen. Die jungen Damen lachen zurück. Die Herren der Schöpfung sind weniger ausgelassen. Kurz ist die Ansage, dann aber: „… und einen schönen Lauf“. Manchmal sind es die Kleinigkeiten.

Seit 1972 gehört die kleine Gemeinde Rohrbach zum Baden-Württembergischen Sinsheim und liegt im Kraichgau zwischen Odenwald und Schwarzwald. Am 19.09.99 fand anlässlich der 900 Jahr-Feier von Rohrbach der erste Volkslauf statt. Damals unter dem Namen „Badische Meile“. 2001 wurde der Lauf in „Kraichgau-Lauf“ umbenannt und erstmals ein Halbmarathon ausgetragen. 2006 kam ein 33 km Lauf hinzu und 2008 konnte zusätzlich ein 44 km Lauf angeboten werden. In diesem Jahr wurden die 44 km auf 50 km aufgestockt und zusammen mit dem Brettener „night52“, als Cupwertung „Kraichgau100plus“ ausgeschrieben.

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Der Start für 50 und 33 km erfolgt um 8 Uhr 30 an der Kreuzgrundhalle. Dort sind auch die Startnummernausgabe sowie genügend Platz, um sich vor und nach dem Lauf gemütlich aufzuhalten und bei Kaffee und Kuchen zu entspannen. Manchmal sind es die Kleinigkeiten: Um 8 Uhr meldet sich der Sprecher und gibt ein paar Hinweise zum Lauf. Außerdem bietet er an, 10 Minuten vor dem Start Bescheid zu sagen, damit die Läufer sich so lange, wie möglich in der warmen Halle aufhalten können. „ Es ist ja heute Morgen ganz schön frisch“. Dieser Service wird auch rege genutzt und tatsächlich wird alle paar Minuten die aktuelle Uhrzeit und die verbleibenden Minuten bis zum Start durchgegeben. Manchmal sind es eben Kleinigkeiten. Taschen kann man außerhalb der Halle abgeben. Die Markierungsbändchen dafür werden zusammen mit der Startnummer ausgegeben.

Kurz vor halb neun ist es dann so weit. Alle Läufer finden sich hinter dem Startbogen ein und der Startschuss ertönt. 60 Ultras und über 100 Läufer für den 3/4Marathon werden auf die Strecke geschickt. Stilecht verabschiedet uns die „Guggenmusik Rohrbach“ am Ortsausgang. Der erste Hügel lässt auch nicht lange auf sich warten und so finden wir uns schnell am Schluss des Feldes wieder. Norbert macht übrigens heute Ausdauertraining und läuft mit mir zusammen.

Am Waldrand gibt es schon die erste VP. Ich freue mich über den Zitronentee; der ist für den Anfang genau das Richtige. Wir folgen der Beschilderung in den Wald. Der TF-Feuerbach ist in Mannschaftsstärke vertreten. Mit ihren gelb-schwarzen Shirts sind die Läufer des Stuttgarter Vereins auf den Laufveranstaltungen der Umgebung keine Unbekannten. Heute sieht es aus, als wenn sie einen langen Trainingslauf geplant hätten. Die Gruppe bleibt zusammen und ist immer um uns herum: mal vor uns, mal hinter uns. Wir bemerken, dass ihre Shirts perfekt mit dem bereits herbstlich gefärbten Wald harmonieren.

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Am ersten langen Anstieg geben Trommlerinnen den Takt an und pushen die Läufer nach oben. Wie immer an Steigungen, bevorzuge ich es aber bergauf zu gehen.  Norbert passt sich mir an. Oben am Waldrand empfängt uns eine steife Brise, so dass das Feld mit Elefantengras richtig in Wallung kommt. Wir laufen an frisch abgeernteten Maisfeldern vorbei. Die zweite VP ist schon in Sichtweite. Hier sind die Tische reich gedeckt. Es gibt wieder Tee, Cola, Wasser und Apfelsaft, auch als Schorle. Dazu Äpfel, Bananen Riegel und, manchmal sind es die Kleinigkeiten, Schokolade. Die Helfer verraten uns, dass wir hier sogar noch zweimal vorbeikommen - wir sind begeistert.

Es geht scharf rechts um das Elefantengras herum und steil bergab. Der Wind kommt nun von hinten und schiebt uns buchstäblich den Berg hinunter. Bei km 7 erreichen wir wieder den Wald, es geht immer noch bergab. Hinter km 8 hören wir Autos; hier muss eine Straße sein. Bevor wir diese allerdings erreichen, ist der Weg abgesperrt und wir werden auf einen kleinen wurzeligen Singeltrail geleitet. Am Ende weisen uns die Streckenposten nach rechts. Hier steht schon wieder eine VP. Appetitlich sind Speisen und Getränke angeordnet.

Manchmal sind es die Kleinigkeiten: auf der gegenüber liegenden Seite des Weges sind ebenfalls Tische aufgebaut. Weil die wohl für später gedacht sind, haben deren Helfer noch nichts zu tun und sind stattdessen, mit Pappfächern bewaffnet, dabei, jeden vorbeikommenden Läufer anzufeuern. Wie schön!

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Jetzt geht es geradeaus in den Wald. Hinter km 10 weist uns ein Streckenposten nach links. Bei km 11 kommt von hinten ein Fahrrad angerollt. „ Achtung, schnelle Läufer von hinten!“ Der Führende des 10 km Laufs sprintet vorbei, der Zweite und Dritte folgen. Und dann kommen immer mehr. Weil auf den Startnummern zusätzlich zur farblichen Markierung die Länge des Laufs aufgedruckt ist, kann man gut erkennen, wer welche Strecke läuft. Die Streckenmarkierungen haben übrigens dieselben Farben, wie die zugehörigen Startnummern. Das ist wichtig für die Orientierung, weil man hier häufig auf den gleichen Streckenabschnitten läuft.

Ein großes Hinweisschild zeigt nun eine Streckenteilung an. Ein Helfer an der Weiche passt zusätzlich auf, dass nur die 10er geradeaus weiterlaufen. Wir werden nach links geschickt. Nun kommen Halbmarathonis von vorne. Wir begrüßen jeden mit einem freundlichen guten Morgen und bekommen ebenfalls Grüße zurück. Und das, obwohl es für sie bergab geht und manche richtig Tempo drauf haben. Als wir den Wald verlassen, erkenne ich die Strecke wieder. Hier sind wir vorhin bergab gelaufen und oben wartet die VP.

Ein Schild zeigt eine erneute Streckenteilung. Halbmarathon links - für uns geht es rechts. Zunächst machen wir aber ein Päuschen. Die Tische sind nun so aufgebaut, dass man zwei Strecken gleichzeitig bedienen kann. Wieder so eine Kleinigkeit: wir entdecken Apfelsaft aus 100 % Direktsaft zum Selberzapfen. Außerdem gibt es sogar frisch gepressten Apfelsaft. Uns ist das lieber als jedes Iso.

Jetzt geht es auf die Felder. Eine Allee von Streuobstbäumen versucht vergeblich den Wind abzuhalten. Auf der Anhöhe werden wir ganz schön verblasen. Dafür gibt es tolle Aussicht und es wird nicht so warm, obwohl sich die Sonne alle Mühe gibt, uns einzuheizen. Unter uns liegt Neckarbischofsheim. Es geht bergab und wir streifen die äußeren Häuser (km 19). An einem Aussiedlerhof liegt die nächste VP. Schon von weitem erkennen wir, dass uns dort Läufer entgegenkommen. Nach einer kurzen Stärkung geht es erneut bergauf. Die Entgegenkommenden sind uns weit voraus. Wie weit, das wissen wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Nach ungefähr 3 Kilometern, an einer Weggabelung steht wieder eine VP. Nun begeben wir uns auf eine Schleife, und dann kommen wir wieder hier vorbei.

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Es geht bis zum Wald bergab, dann ein Stück am Waldrand entlang und anschließend im Wald wieder bergauf. Die ganze Schleife ist damit rund 3 km lang. Wir stärken uns ausgiebig an der VP. Die Letzten sind hier schon durch und so kommt uns nun keiner mehr entgegen, als wir zurücklaufen. Wieder am Aussiedlerhof bei Neckarbischofsheim angekommen, werden wir von den Helferinnen abermals freundlich empfangen. Nach einer kurzen Pause wünscht man uns noch einen schönen Lauf. Dann geht es bei km 27 an Streuobstwiesen vorbei wieder bergauf.

In der Ausschreibung steht, dass man spätestens nach 4 Stunden bei km 31 sein muss, da man sonst auf die 33 km Strecke umgeleitet wird. Wir haben jetzt noch eine halbe Stunde - das sollte reichen. Dummerweise geht es momentan nur bergauf. Auch im Wald nimmt die Steigung kein Ende. Schon hören wir Trommeln. Per Handzeichen weist man uns nach rechts. Gott sei Dank: Nun geht es endlich bergab! Wir befinden uns auf einem Streckenabschnitt, den wir vom  Anfang kennen. So erreichen wir die VP bei km 31 noch rechtzeitig.

Manchmal sind es die Kleinigkeiten: Schon von weitem werden wir begrüßt „Aah, zwei 50 km Läufer - die kommen zu uns.“  Die VP ist hier nämlich geteilt, ein Teil für die 33 km Läufer und der andere für die Ultras. Nach diesem freundlichen Empfang lassen wir es uns erst einmal schmecken. Die Helfer informieren uns über den weiteren Streckenverlauf. Wir laufen erneut eine Schleife und kommen dann wieder zurück. Ein anderer Ultra ist bereits auf dem Rückweg. Nanu, hat er nicht nur noch 2 km bis ins Ziel? Er trinkt, als gäbe es kein Morgen. Erst später wird mir klar, dass man von hier nicht den direkten Weg ins Ziel nimmt - aber davon später.

Wir laufen nun erst mal im Wald bergauf. Die entgegenkommenden Ultras lassen es sich nicht nehmen, uns Mut zuzusprechen, während wir natürlich jeden gebührend feiern. Bei km 33 schickt uns der weibliche Streckenposten nach rechts. Damit verlassen wir die Begegnungsstrecke. Einsam laufen wir jetzt durch den Wald. Zu unserer Überraschung kommen wir wieder an einer uns bereits bekannten VP heraus. Und erneut werden wir herzlich begrüßt. Wir erreichen den Single Trail an der Straße entlang, den wir vor Stunden von der anderen Seite gelaufen sind. In der Gegenrichtung sieht alles ganz anders aus!

Wenn ich mich richtig erinnere, geht es jetzt ziemlich lange leicht ansteigend durch den Wald und dann nochmals steil bergauf zur VP, wo wir als erstes die Schokolade und den frischen Apfelsaft entdeckt hatten. Oh je, bei so viel Bergauf tun mir jetzt schon die Füße weh. Die Strecke kommt mir allerdings unbekannt vor. Vielleicht sind wir doch anders geleitet worden und müssen nicht so viel bergauf. Dann kommt es aber doch so, wie ich es befürchtet habe. Die Helfer hatten uns am Anfang ja versprochen, dass wir hier dreimal vorbei kommen werden. Von den Leuten an der VP, die es sich mittlerweile gemütlich gemacht haben, werden wir freundschaftlich begrüßt. Nachdem wir wohl die Letzten sind, lassen wir keine Schokolade übrig.


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Es geht zurück in den Wald. Noch einmal weist ein Schild nach links und wir erkennen die Begegnungsstrecke wieder. Ein Fahrrad kommt von hinten. Wir sollen bloß nicht erschrecken, meint die Radlerin: Sie sei nur das Besenfahrrad. Eigentlich wollte Friederika uns schon viel früher einholen, aber dafür waren wir wohl zu schnell. Und wieder so eine Kleinigkeit: Sie will uns auf keinen Fall stören und wenn wir wollen, würde sie sich auch weiter zurückziehen. Und wir sollen uns auf dem Rückweg nicht hetzen lassen, denn wir hätten ja noch genügend Zeit. Das ist lieb von ihr, aber wir sind für ein bisschen Abwechslung durchaus dankbar.

Erstaunlich schnell haben wir die VP von km 31 , sind aber nun 10 km weiter. Und ich dachte vorhin, von hier aus ginge es direkt ins Ziel. Wir lassen uns kurz die nun folgende Strecke erklären. Inzwischen hat sich eine Frau vom Streckenposten zu uns gesellt und schließt sich uns an.

Es geht zunächst noch ein Stück auf dem Waldweg und anschließend auf einen schmalen Trail, der uns direkt aus dem Wald hinaus führt. Bei km 42 erschließt sich uns ein grandioser Ausblick über die Kraichgauhügel, Rohrbach im Tal und die Burg Steinsberg. Die Stauferburg liegt im Dunst und ist nur an ihren Umrissen zu erkennen. Mittlerweile sind vereinzelt auch ein paar Wolken zu sehen, die verhindern, dass es auf dem folgenden schattenlosen Stück zu heiß wird. Ein letzter Streckenposten informiert uns, dass es nun 2 km bergab gehen wird, und so lassen wir es laufen.

Wir sehen jetzt Rohrbach zu unserer Rechten und gleichzeitig bei km 44 das große Schild, das uns unmissverständlich nach links in die Gegenrichtung schickt. Zuerst gibt es aber noch eine kleine VP. Hier wird sogar Erdinger ausgeschenkt. Das macht den letzten Abstecher, der uns nun bevorsteht, erträglicher. Zum letzten Mal kommen uns hier auch noch Läufer entgegen. Die haben es nicht mehr weit und sind entsprechend gut gelaunt. Für uns geht es allerdings gleich nach links auf eine weitere Schleife, noch einmal bergauf und gleich wieder hinunter. In einer Senke führt der Weg nach rechts. Die lange, gerade Strecke bringen wir auf Grund der netten Fahrradbegleitung schnell hinter uns. In Rohrbach angekommen, erwartet uns der kleine Philip mit Puscheln und berichtet stolz vom Schülerlauf. Er kann sogar noch rennen und begleitet uns bis ins Ziel. Dort werden wir bereits erwartet, angesagt und beglückwünscht. Es gibt eine goldene Medaille, Erdinger und Müsli satt.

Und noch ein paar Kleinigkeiten: Obwohl sich die Halle leert und die Helfer bereits mit Aufräumen beschäftigt sind, werden wir mehrfach gebeten, doch gemütlich sitzen zu bleiben – bloß keine Eile. Ich lasse mir gleich zwei Portionen des leckeren Müslis schmecken, außerdem gibt es noch Kuchen. Die Altersklassengewinne werden auf dem „kleinen Dienstweg“ ausgegeben.

Fazit:

Läufe gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Das Niveau ist durchweg hoch: ob es die Organisation betrifft, die Helfer oder die Strecke - einen wirklich schlechten Lauf habe ich eigentlich noch nie erlebt. Und doch gibt es immer wieder „Kleinigkeiten“, die einen Lauf zu etwas Besonderem machen. Der Kraichgaulauf ist hier ein schönes Beispiel. Diese Kleinigkeiten kosten nichts und leben durch die beteiligten Personen. Dem aufmerksamen Läufer bleibt aber genau das in Erinnerung.

Ich bin gespannt, ob es bei dem 50 km Lauf bleibt oder ob man sich wieder etwas Neues ausdenken wird. Oft sind es die Kleinigkeiten. Bis zum nächsten Jahr.